KI lenkt das Informationszeitalter ins Wissenszeitalter
Als Investor und Leiter eines Research Instituts für vertrauenswürdige KI fasziniert mich mit am meisten wie KI die Art und Weise, wie wir arbeiten und lernen verändern wird.
Während meines Studiums hat mich die Aussage einer meiner Jura Professoren bis heute nachhaltig geprägt: „Sie müssen es nicht auswendig können, sondern nur wissen, wo es steht”. Dieser Satz lehrte mich, dass Wissen in erster Linie durch die akribische Dokumentation von Informationen und Quellen konsolidiert und nutzbar wird. Der Wert und die Nutzbarkeit von Wissen hängt entscheidend davon ab, wie hoch die Effizienz ist, Informationen in dem Moment zur Verfügung zu haben, in dem sie benötigt werden. Je schneller ich Informationen finden kann, desto weniger muss ich mir merken – also in meinem eigenen begrenzten Speicher, meinem Gehirn, ablegen.
Diese Perspektive hat sich unter den Wissensarbeitern in den letzten Jahren mit der Bezeichnung „second brain“ als eigener Trend entwickelt. Das Konzept ist im Prinzip einfach: Durch Dokumentation der täglichen Informationen (Meeting-Mitschriften, Artikel, Tweets, etc.) in einer Notizen-App kann ein digitales Gedächtnis aufgebaut werden, welches zugleich durchsuchbar ist. Ein eigenes Google für die persönlichen Informationen also.
Wenn es gelingt, die alltäglichen Informationen akribisch zu dokumentieren, dann kann daraus ein überaus mächtiges Werkzeug wachsen. Bis dato lag aber die Herausforderung in der täglichen Umsetzung, da hierfür zum einen ein hohes Maß an individueller Disziplin und ein ausgeprägtes technisches Verständnis über Tools und Workflows erforderlich ist. Ein immenser Aufwand, der sich nur bei den wenigsten im Alltag dauerhaft etablieren lässt.
Zugang zu Wissen via Generative KI
An dieser Stelle kommt die generative KI ins Spiel. Sie hat das Potenzial, den Zugang zu Wissen in einfach zu konsumierender Form zu geben: im Rahmen eines Gesprächs. In Zukunft können Unternehmen beispielsweise neuen Mitarbeitern mit einfachen Mitteln einen digitalen Avatar an die Seite stellen, welcher das Onboarding begleitet. Die Qualität dieses Onboardings durch den virtuellen Mitarbeiter wird besser sein als durch einen physischen Kollegen. Der Avatar hat immer Zeit, richtet sich nach den Vorlieben des neuen Teammitglieds und verfügt zudem über ein KI-basiertes Gedächtnis, das auf alle Informationen des Unternehmens zugreifen kann — selbst, wenn diese Informationen weit in der Vergangenheit und vor der „Spawn“ — also des Erscheinens — des Avatars liegen. Das „second brain“ der Wissensarbeiter entwickelt sich durch generative KI zu einem „collective brain“ von Unternehmen.
Es stellt sich jedoch immer noch die Frage, warum diese Entwicklung nun so ein Game Changer für die Wissensgesellschaft ist. Ich möchte dafür die Schule der Zukunft als ein einfaches Beispiel skizzieren: Wie könnte eine Unterrichtsstunde in Philosophie im Jahr 2033 aussehen? Das Klassenzimmer ist ein virtueller Raum, in dem Schüler in einer Panel Diskussion mit Sokrates, Kant und John Lennon über die Verantwortung des Individuums als Teil einer Gesellschaft debattieren. Sie stellen Fragen und erhalten Antworten von 3D gerenderten Avataren aus allen verfügbaren Bildern, sowie Antworten von einem trainierten KI-Modell auf Basis aller verfügbaren Schriften und Aussagen, der drei Panelisten. Es braucht nur ein ganz bisschen Vorstellungskraft, um zu sehen, wie leicht und kraftvoll Schülern der Zugang zu solchen Themen gemacht werden kann. Diese Vision ist der maximale Steriode Schub für Newton’s „standing on the shoulders of giants“.
Die Technologie ist bereit
Wann diese Vision Realität wird, hat übrigens nichts mit der technischen Machbarkeit zu tun. Technologisch stehen wir, was die Anwendbarkeit solcher Szenarien für Unternehmen angeht, auf der Startrampe. Aber als Vater von zwei Töchtern, die das deutsche Bildungssystem erleben bzw. bald erleben werden, habe ich begründete Zweifel an der Adaptions- und Entwicklungsfähigkeit von Kindergärten, Schulen und Universitäten.
Aber Unternehmen können schon heute mit einfachen Mitteln erste Variationen davon umsetzen. Beispielsweise kann ein intelligenter Chatbot wie ChatGPT von OpenAi via Schnittstelle auf die Informationen des Unternehmens trainiert werden und die Kommunikation mit dem Mitarbeiter übernehmen. Durch Software wie D-ID können nun die Antworten des Chatbot mittels eines digitalen Avatars einfach wiedergegeben werden. Das sind jetzt schon beeindruckende Möglichkeiten, vor allem wenn der minimale Zeitaufwand zur Erstellung von wenigen Minuten bedacht wird. Jetzt gilt es, die technologische Reife für den Einsatz in Unternehmen und für den beruflichen Alltag zu entwickeln. Die Geschwindigkeit jedoch, in der die Technologien aktuell voranschreiten, lässt die Vermutung zu, dass die Massentauglichkeit bereits in wenigen Monaten erreicht werden kann.
Und dann verändert generative KI unser gesamtes System: Der Zugang zu Informationen, die Darstellung von Inhalten und die Interaktion mit den Lernenden. Wissen wird hyper-individuell und immersiv werden. Die Nutzer erhalten Inhalte durch die direkte Interaktion mit der KI, welche individuell auf die jeweiligen Fragestellungen zugeschnitten sind. Unternehmen, die bereits heute verstanden haben, wie wichtig es ist, diese Technologie kennenzulernen und zu testen, werden auch zukünftig die besten Talente ihrer Branche für sich gewinnen und halten können.
Wenn Sie up-to-date zu Entwicklungen und Einsatzmöglichkeiten von vertrauenswürdiger KI in Organisationen bleiben wollen, folgen Sie mir gerne auf Linkedin: Max Moehring
Über den Autor:
Maximilian Möhring ist Gründer von DECAIDE. Seine Expertise im Technologiefeld Web3 und im speziellen zum Thema DAOs erarbeitete sich Maximilian beim Aufbau und der Ausgestaltung von twire, einer der ersten deutschen DAO-Projekte. Der Serial Entrepreneur und Investor hat bereits an mehr als 20 Unternehmensgründungen in den Bereichen Service-Automation und Web3 mitgearbeitet und in leitenden
Funktionen unterstützt. Seine aktuellen Schwerpunkte liegen auf vertrauenswürdigen Ansätze für angewandte Web3- und KI-Technologien sowie auf der Entwicklung effektiver Organisationsstrukturen für die Metaverse Economy. Maximilian studierte Management & Recht in Innsbruck, New York, Passau und München.